am 5. und 6. Dezember 2019 in Berlin
Mit einem neuen Besucherrekord von rund 370 BewertungsProfessionals war die 13. Jahreskonferenz der EACVA am 05.12. und 06.12.2019 in Berlin wieder ein großer Erfolg. Vier Keynote-Vorträge, zwei Podiumsdiskussionen und 22 Sessions rund um das Thema Unternehmensbewertung standen den Teilnehmern zur Wahl. Neben internationalen und nationalen ökonomischen und rechtlichen Bewertungsthemen wurden neue technische Trends, wie die Analyse umfangreicher Datenmengen, beleuchtet.
Den Rückblick und die Impressionen der 13. Jahreskonferenz 2019 finden Sie unter www.bewerterkonferenz.de/de/rueckblick.
Im Folgenden werden Zusammenfassungen einiger Vorträge der 13. Bewerterkonferenz dargestellt:
Opening Keynote: Perspektiven der Weltwirtschaft im Zeichen politischer Risiken (Dr. Michael Heise)
Die Eröffnungs-Keynote zum Thema Perspektiven der Weltwirtschaft im Zeichen politischer Risiken hielt Dr. Michael Heise, selbstständiger Berater und ehem. Chefvolkswirt der Allianz SE. Im Mittelpunkt seines Vortrags stand die Entwicklung der Kapitalmärkte vor dem Hintergrund der aktuellen Konflikte in der Handelspolitik und des zunehmenden Protektionismus.
Es bestehen Gründe für die Annahme, dass die in den letzten Jahren etablierte expansive Geldpolitik in Form von quantitativen Lockerungen und Negativzinsen mittelfristig fortgeführt
wird. Da die Kapitalmärkte sich auf dem niedrigen Zinsniveau eingependelt haben, wird die EZB versuchen, steigende Zinsen zu verhindern, umdieMärkte zu schützen.MangelsAlternativen bleibt der Fokus der Investoren auf den Märkten für Sachwerte. Diese werden weiter steigen und auch die Risikobereitschaft der Investoren bleibt hoch. Wegen der sehr niedrigen Zinsen beinhalten die Märkte auch weiterhin eine Risikoprämie. Langfristig wird hieraus wahrscheinlich eine Finanzmarktinflation (Asset Price Inflation) folgen, welche zu weiteren Steigerungen in den Bewertungen von Vermögensaktiva in den Märkten führt. Der Prozess muss nicht linear verlaufen. Aufgrund rezessiver Entwicklungen sind Unterbrechungen durch größere Korrekturen möglich. Allerdings folgt darauf wieder die Annahme, dass die Geldpolitik mit den o.g. Instrumenten gegensteuert und somit zunächst keine Baisse zu erwarten ist.
Die Finanzmarktbewertungen werden sich daher noch weiter von den realwirtschaftlichen, substanziellen Werten entfernen und dies bedeutet spannende Zeiten für Investoren und große Herausforderungen für Unternehmensbewerter.
Keynote: Persönlichkeit schafft Wirkung! Überzeugen. Motivieren. Begeistern (Cristián Gálvez)
Der erste Konferenztag endete mit einem Keynote-Vortrag von Cristián Gálvez, einem bekannten Persönlichkeitstrainer, Autor und Coach. Darin veranschaulichte er die Wirkung von Menschen, die sie als Persönlichkeiten bei anderen erzielen, und den damit verbundenen Erfolg in Beruf und Gesellschaft. Der Vortrag hielt ein Plädoyer für ein authentisches und überzeugendes Auftreten und inspirierte die Konferenzteilnehmer, ihre verborgenen Potenziale zu entdecken.
Four Principles of Value Creation (Prof. Marc Goedhart)
Die erste Keynote des zweiten Tages hielt Prof. Marc Goedhart zum Thema „Four Principles of Value Creation“. Der Vortrag basierte auf den vier fundamentalen Bewertungsprinzipien sowie deren Anwendung auf die Bewertung neuer digitaler Geschäftsmodelle:
- Die Basis bilden die zukünftigen Cashflows und diese werden ihrerseits durch zukünftiges Wachstum und den Return on Invested Capital (ROIC) bestimmt.
- Maßnahmen, welche sich nicht auf Wachstum oder ROIC auswirken, können auch den Unternehmenswert nicht beeinflussen.
- Kapitalmarktbewertungen sind getrieben durch den intrinsischen Unternehmenswert und durch die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich des zukünftigen Wachstums und des ROIC.
- Der Wechsel oder die Erweiterung von Geschäftsfeldern durch M&A, um eine Wertsteigerung für die Anteilseigner zu generieren.
Für diese vier Prinzipien wurden im Anschluss konkrete Anwendungsmöglichkeiten dargestellt. Mit der zunehmenden Verbreitung digitaler Geschäftsmodelle verliert das physische Kapital zunehmend an Bedeutung für den Unternehmenswert. Investitionen in immaterielles Vermögen, Marketing etc. stellen zwar kein bilanzielles, aber sehr wohl ökonomisches Kapital dar und sind in der Kapitalrendite zu berücksichtigen. An einem Beispiel verdeutlichte Goedhart den Einfluss einer reduzierten bilanziellen Kapitalbasis auf die Höhe und Volatilität von Kapitalrenditen. Er schlägt vor, bei solchen Geschäftsmodellen eher den Economic Profit (EP, EVA oder Residualgewinn) bzw. die Kennzahl Economic Profit / Umsatz in die Analyse einzubeziehen.
Narrative and Numbers – The Story behind your Valuation (Prof. Aswath Damodaran)
Ein besonderes Highlight der 13. Bewerterkonferenz war der Keynote-Vortrag von Prof. Aswath Damodaran. Er beleuchtete darin zunächst den Prozess der Entstehung von Geschichten in der Unternehmensbewertung, überprüfte diesen anhand realer Daten und übertrug ihn dann in die Bewertung am Beispiel von Uber und Ferrari. Nach Damodaran ist die Welt der Investoren und Bewerter in zwei Lager geteilt: Auf der einen Seite Zahlen-Jongleure (sog. „number crunchers“), für die nur Daten und Fakten zählen. Phantasie und Kreativität stellen gefährliche Störungen für ihre Berechnungen dar. Auf der anderen Seite die Geschichtenerzähler („story tellers“), die Ihre Bewertungen allein auf den Geschichten über Unternehmen aufbauen, und wie diese Geschichten den Wohlstand bringen. Nach Damodarans Meinung hat keine der beiden Seiten ein „Monopol auf die Wahrheit“, denn die Geschichten sind nur dann wichtig, wenn sie auf Zahlen aufbauen und Zahlen ohne Geschichten sind leer und wenig aussagekräftig.
Die Fortführungsphase: Erwartungstreue Planwerte, Konvergenzüberlegungen und andere Herausforderungen (WP/StB MMag. Marcus Bartl, CVA / Prof. Dr. Werner Gleißner)
Da die in vielen Bewertungsfällen schon nach wenigen Jahren beginnende „Fortführungsphase“ den größten Teil des Unternehmenswerts repräsentiert, ist bei den für diese getroffene Annahmen besondere Sorgfalt erforderlich. Zu beachten ist zunächst, dass die Fortführungsphase von Erwartungswerten der Cashflows ausgeht, die bestehende Chancen und Gefahren (Risiken) adäquat berücksichtigen, auch die Möglichkeit einer Insolvenz (Insolvenzrisiko). Auch Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, die möglicherweise in der Detailplanung vernachlässigt wurden, werden in der prinzipiell und unbegrenzten Fortführungsphase „irgendwann“ einmal wirksam werden und den Erwartungswert beeinflussen. Hier sind speziell die Erkenntnisse der Risikoanalyse eines Unternehmens, z.B. bezüglich unsicherer Planungsprämissen, zu berücksichtigen. Die erwartungstreuen Schätzer für die zukünftigen Cashflows und Renditen müssen zudem „repräsentativ“ sein für die Zukunft, d.h. dass „temporäre“ (transitorische) Komponenten aus der Detailplanungsphase (z.B. realisierte besondere Chancen) zu eliminieren sind und weitere „nicht-nachhaltige“ Faktoren durch einen geeigneten Konvergenzprozess „abschmelzen“ müssen. Meist, aber nicht notwendigerweise, wird eine Konvergenz der erwarteten Kapitalrendite gegen die Kapitalkosten modelliert und in einer „Übergangsphase“ zwischen Detailplanung und Fortführungsphase abgebildet. Die Beurteilung der Konvergenzgeschwindigkeit erfordert eine intensive Beschäftigung mit dem Unternehmen, speziell seinen Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteilen. Dies ist eine zentrale Aufgabe des Bewerters. Er muss das Geschäftsmodell und die tragenden Erfolgspotenziale verstehen und hier im Bewertungskalkül berücksichtigen.
IFRS 16 (Leases) and its Effect on Valuation (Ingo Bertram, CVA)
IFRS 16 hat abhängig vom Grad der Nutzung von Leasing zur Finanzierung erheblichen Einfluss auf zentrale Bewertungsparameter einer DCF-Bewertung im Vergleich zur vorherigen bilanziellen Behandlung von Leasing unter IAS 17. Die Annahme von Informationseffizienz und effizienten Kapitalmarktmärkten führt zu der auch intuitiv angenommenen Arbeitshypothese, dass sich durch die Einführung von IFRS 16 der Equity Value eines Bewertungsobjekts nicht ändert. Auch wenn diese Arbeitshypothese gut vertretbar erscheint, ergeben sich für den Bewerter wesentliche Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung im Bewertungsmodell, für die pragmatische Lösungen bereitstehen. Hier ist auf Vollständigkeit und Konsistenz bei der Berücksichtigung der verschiedenen Folgewirkungen von IFRS 16 im Bewertungskalkül zu achten. Die durch IFRS 16 steigende Nettoverschuldung wird im Ergebnis durch einen in gleicher Höhe steigenden Enterprise Value kompensiert. Besonderes Augenmerk ist auf den Einfluss von IFRS 16 bei der Ableitung unverschuldeter Betafaktoren und die hierfür genutzten Verschuldungsgrade zu legen. Dabei ist auf eine Vergleichbarkeit aller Peer-Group-Unternehmen und des Bewertungsobjekts bezüglich der Bilanzierung von Leasing zu achten. Des Weiteren sollte bei der Bewertung auch bedacht werden, dass geleaste Vermögenswerte nach Ende der Leasinglaufzeit in aller Regel ersetzt werden müssen wie andere Sachanlagen bspw. auch. Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der Einfluss von IFRS 16 auch bei einer Multiple-Bewertung zu beachten ist. Obwohl das Kalkül einer Multiple-Bewertung einfacher ist als das einer DCF-Bewertung, erscheint die konsistente Berücksichtigung der Effekte von IFRS 16 in einer Multiple-Bewertung komplexer und einige praktische Fragestellungen sind derzeit noch offen.
Unternehmensbewertung bei gemischter Finanzierung – Was ist das? (Prof. Dr. Stefan Dierkes)
In der Praxis der Unternehmensbewertung wird grds. entweder in allen Perioden von einer autonomen oder einer wertabhängigen Finanzierung als reine Finanzierungen ausgegangen. Fraglich ist, ob hierdurch die reale Finanzierungspolitik von Unternehmen mit einer ausreichenden Genauigkeit abgebildet werden kann. Gemischte Finanzierungen sind durch eine Kombination von reinen Finanzierungen gekennzeichnet und bieten einen größeren Freiheitsraum zur Abbildung der Finanzierungspolitik von Unternehmen. In diesem Vortrag wurden mit der hybriden und diskontinuierlichen Finanzierung zwei mögliche Formen einer gemischten Finanzierung vorgestellt und in das Zwei-Phasenmodell der Unternehmensbewertung eingebettet. Es wurden die jeweiligen Bewertungskalküle entwickelt und mittels einer Simulation wurde analysiert, welche Bewertungsunterschiede mit den gemischten Finanzierungen verbunden sind. Insgesamt zeigt sich, dass gemischte Finanzierungen im Vergleich zu den reinen Finanzierungen interessante alternative Finanzierungspolitiken für die Praxis der Unternehmensbewertung sind.
Investitionsentscheidungen unter Berücksichtigung periodischer Rentabilitätsmaße (Dr. Tobias Friedrich, MBR)
Investitionsentscheidungen sind auf Basis kapitaltheoretischer Kennzahlen wie dem Kapitalwert oder dem internen Zinssatz zu treffen. Aus konzeptionellen Gründen ist die Kapitalwertmethode der Methode des internen Zinssatzes überlegen; die alleinige Anwendung der Methode des internen Zinssatzes kann zu falschen Entscheidungen führen. Jahresabschlussorientierte Erfolgskennzahlen bilden den Zusammenhang zwischen eingesetztem Kapital und erwirtschaftetem Erfolg einer Periode ab. Erfolgskennzahlen lassen sich in Wertbeitrags- und Rentabilitätszahlen gliedern, wobei zu jeder Wertbeitragskennzahl eine korrespondierende Rentabilitätskennzahl existiert. Interne Zinssätze und periodenbezogene Rentabilitätskennzahlen weisen konzeptionelle Unterschiede hinsichtlich Zielsetzung und Betrachtungsumfang auf. Zwischen den Kennzahlen bestehen formale Zusammenhänge, sie entsprechen sich aber nur unter engen Bedingungen. Vor diesem Hintergrund erlauben jahresabschlussorientierte Rentabilitätskennzahlen im Allgemeinen keine vertrauenswürdige Approximation des internen Zinssatzes. Für eine konsistente Festlegung von Zielansprüchen für jahresabschlussorientierte Rentabilitätskennzahlen empfiehlt es sich, den unternehmensspezifischen Zusammenhang zwischen Kapitalkosten, internen Zinssätzen und jahresabschlussorientierten Rentabilitätskennzahlen im Rahmen von Simulationsanalysen abzubilden.
Alexa, wie werden die Cashflows? BI-Tools in der praktischen Unternehmensanalyse (Markus Hesse, MBA, CEFA, CVA)
In dem Vortrag wurde der Fokus auf zwei Anwendungsfälle aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und auf die Visualisierung der Ergebnisse gelegt.
Drei Kernbotschaften des Vortrags waren:
- Die Maschine konnte Risikoberichte aus dem S&P 500 so vergleichbar machen, wie es einem Analysten kaum gelungen wäre. KI hat den gesamten Text selbstständig in Bereiche eingeteilt und auf Unternehmensebene Unterschiede in der Themengewichtung ausgemacht, die sich fundamental nachvollziehen ließen. Die fundamentale Logik der Unterteilung wurde am Vergleich von UPS versus FedEx verdeutlicht.
- Ähnlich wie bei der Textanalyse konnten Bilder – bzw. Diagramme – mit hohem Nutzen für den Analyseprozess strukturiert in Zahlen umgewandelt und weiterverarbeitet werden – statt eines flüchtigen Blicks beim Durchblättern wichtiger Teile der Berichterstattung. Nachhaltigkeitsberichte sind ein typischer Anwendungsfall. Diagramme wurden live in der Präsentation eingelesen und der analytische Nutzen der Weiterverarbeitung dargestellt.
- Eine effiziente Visualisierung schafft zusätzliche Perspektiven für Analysten. Die Visualisierung von Werttreibern und Simulationsergebnissen wurden live parametrisiert. Der Bogen zurück zum Titel wurde gespannt, als die Moderatoren live per Spracheingabe Visuals zur Cashflow-Analyse auf einer Blankoseite in BI-Tools generierten.
Neben diesen Botschaften, dass KI bereits eine Vielzahl an unterstützenden Anwendungsgebieten hat, wurde zum Schluss das starke Potenzial der Kombination von KI mit „Faktor Mensch“ unterstrichen.
Fallstricke in der Unternehmensbewertung 2.0 (Prof. Dr. Leonhard Knoll)
Der Vortrag setzte sich anhand von vier Praxisbeispielen aus dem Buch „De exemplis deterrentibus“ des Referenten mit klassischen und über den jeweiligen Fall hinaus relevanten Bewertungsfehlern auseinander. Konkret ging es um
- den Selbstfinanzierungseffekt betreffend die bare Zuzahlung in der Folge von Verschmelzungen,
- die Erklärung eines ebenfalls bei Verschmelzungen auftretenden kontraintuitiven Befunds,
- die logische Beziehung von Beta und Börsenkurs samt ihrer Konsequenzen sowie
- die fehlende Relevanz von Branchenindizes für die Beurteilung ermittelter Betawerte.
Abschied vom barwertäquivalenten Basiszins (Prof. a.D. Dr. Dr. h.c. Lutz Kruschwitz / Prof. Dr. Leonhard Knoll)
Der vom IDW seit 2005 empfohlene barwertäquivalente einheitliche Basiszins steht seit Jahren in der Kritik. Im Vortrag wurde ein Aspekt dieses Konzepts beleuchtet, der lange übersehen worden ist und die ohne jeden Zweifel erforderliche Berücksichtigung eines Risikozuschlags betrifft. Die Handreichungen, welche der FAUB des IDW zur Ermittlung des Einheitszinses zur Verfügung stellt, unterstellen wirklichkeitsfremd, dass die Cashflows, welche ein zu bewertendes Unternehmen generieren wird, risikolos erzielt werden können. Es lässt sich nachweisen, dass diese vom IDW empfohlene Vorgehensweise für alle (!) Börsentage des Zeitraums von 2009 bis 2018 zu einer Überschätzung des Basiszinses i.H.v. durchschnittlich rund einem Viertelprozentpunkt führt und daher so bald wie möglich abgeschafft werden sollte. Es besteht dringender Handlungsbedarf.
Aktuelle Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung in Spruchverfahren (RAin Dr. Anja Köritz, LL.M. / WP Dr. Frederik Ruthardt, CVA)
Ruthardt und Köritz stellten die aktuelle Rspr. zur Heranziehung des Börsenkurses vor und erörterten diese aus betriebswirtschaftlicher und juristischer Perspektive. Mit den Teilnehmern kontrovers diskutiert wurden insb. die Entscheidungen des LG Stuttgart (Beschluss vom 08.05.2019 – 31 O 25/13 KfH) und des LG Frankfurt (Beschluss vom 27.06.2019 – 3-5 O 38/18), die sich für eine Heranziehung des Börsenkurses aussprechen und die Bewertung anhand der Ertragswertmethode höchstens als gleichwertig betrachten. Auch wenn die Ertragswertmethode auf zahlreichen bewerterischen Annahmen basiert, die eine gerichtliche Überprüfung erschweren können, bestand weitgehend Einigkeit, dass weiterhin zahlreiche Argumente für die Ermittlung des anteiligen Unternehmenswerts anhand der Ertragswertmethode sprechen.
Derivation of implied Cost of Capital (WP Dr. Tim Laas)
Eine implizite Marktrisikoprämie kann aus der Kapitalisierung des Gesamtmarkts und Analysten-Schätzungen zu zukünftigen Cashflows bestimmt werden. In der Praxis eignen sich dazu das Dividenden-Diskontierungsmodell und das Residualgewinnmodell. Beide Modelle führen zu gleichen Ergebnissen, sofern die Clean-Surplus-Relation erfüllt ist. Mehrere Schritte und Annahmen (z.B. zur nachhaltigen Wachstumsrate und Währungskursentwicklung) sind mit der Verarbeitung von Marktdaten verbunden.
Unter der Annahme eines nachhaltigen Wachstums von 1,00% kann die FAUB-Bandbreite zur Marktrisikoprämie überwiegend bestätigt werden. Die Marktrisikoprämie vor persönlichen Einkommensteuern kann in eine Größe nach Steuern umgewandelt werden. Hierzu ist eine Annahme zur Zusammensetzung der Nachsteuer-Aktienrendite in Dividenden- und Kursgewinne notwendig.
Das lokale CAPM spiegelt eine rein inländische Sicht wider und ist nicht vereinbar mit der Anwendung einer „Länderrisikoprämie“. Das globale CAPM setzt integrierte Kapitalmärkte voraus. Einen wichtigen Indikator stellen dabei vergleichbare reale Renditen in unterschiedlichen Märkten dar. Liegen die Voraussetzungen integrierter Kapitalmärkte nicht vor, kann alternativ zur Rendite-Differenz von Staatsanleihen die Differenz der impliziten lokalen Marktrenditen zur Bestimmung einer „Länderrisikoprämie“ herangezogen werden.
In der internationalen Unternehmensbewertungspraxis werden häufig Aufschläge zu den Kapitalkosten kleiner Unternehmen vorgenommen (Small Size Premium). Ausgehend von zukunftsgerichteten Marktdaten erscheint die Existenz eines solchen Small Size Premium zweifelhaft.
Bewertung von Unternehmen für insolvenzrechtliche Zwecke insb. EU-Restrukturierungsrahmen (RA/StB Cornelius Nickert, CVA)
Der Vortrag zeigte die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Bewertung eines gesunden Unternehmens gegenüber einem insolventen Unternehmen auf. Vorweg: Auch und gerade in der Insolvenz müssen Unternehmen bewertet werden. Die Bewertungsanlässe werden durch den EU-Restrukturierungsrahmen weiter steigen.
Der erste wesentliche Unterschied ist der Fokus. In der Insolvenz interessiert zunächst das Schuldendeckungspotenzial für die Gläubiger. Daher müssen Bruttoansätze verwendet werden. Im Rahmen der Analyse sind pflichtige Insolvenzgründe auszuschließen und, soweit vorliegend, zu beurteilen, ob entgegen der gesetzlichen Regelung im Insolvenzverfahren mit der Fortführung zu rechnen ist oder ob der Zahlungsstrom abreißt.
Ferner gewinnt die Analyse des Grads der Unsicherheit der künftigen Cashflows eine höhere Bedeutung. Auch ist zu beachten, dass bei geringen oder negativen Cashflows bei gleichzeitig hoher Unsicherheit die Risikozuschlagsmethode versagt. Daher ist die Anwendung der Sicherheitsäquivalenzmethode vorzugswürdig.
Strategische Steuerung von Expansionsprozessen durch Wertorientierte Innovative Internationalisierung (Dr. Markus Reichel, CVA)
In dem Vortrag wurde anhand eines Fallbeispiels aus der KFZ-Zuliefererindustrie dargestellt, dass Expansionsprozesse i.S.v. Innovation und Internationalisierung stark durch Pfadabhängigkeiten beeinflusst werden.
Wenn das Produkt-Länderportfolio nicht optimal gewählt ist oder die Unternehmensstruktur die Unternehmensziele nicht unterstützt, kann es dazu kommen, dass Unternehmen ihr Wertpotenzial nicht optimal realisieren.
Insb. spielt dies eine Rolle, wenn Skaleneffekte, Economies of Scope, Kritische Massen, Informationsdefizite und Beschränkungen der Produktionskapazitäten dazu führen, dass eine Wertsteigerung nicht möglich ist. Dies schlägt sich u.a. im Innovator’s Dilemma und dem Internationalisierungsdilemma nieder.
Der Management-Ansatz der Unternehmenswertorientierten Innovativen Internationalisierung stellt damit die Frage, wann ein Wechsel des eingeschlagenen Pfades sinnvoll ist und gibt anhand der SMART-Methode konkrete Ansatzpunkte, wie dieser Pfadwechsel unter Berücksichtigung von Investitionen, Chancen und Risiken wertoptimiert gelingen kann.
Synergien – Mythos oder Magie? (WP/StB Dr. Jörn Schulte, CVA)
Walter Busse von Colbe, einer der Väter der modernen Unternehmensbewertung in Deutschland, und Hans-Joachim Mertens als Jurist haben sich vor 25 Jahren mehr als kontrovers zum Stand-Alone-Prinzip und zur Berücksichtigung von Synergien bei der Zusammenführung von Unternehmen und der Bemessung von Abfindungen geäußert.[1] Nach dem Feldmühle-Urteil des BVerfG von 1962 gilt die Abfindung zum vollen Wert als Leitlinie der Rspr. In der jüngeren juristischen Literatur wird das Thema verstärkt aufgegriffen.[2]
Das Thema Synergien ist heute aber auch ökonomisch aktueller denn je – Synergien sind der Dauerbrenner und Treibstoff für Akquisitionen (siehe nur Bayer/Monsanto oder FCA/PSA). Synergien sind integraler Teil der Bewertung – nicht Mythos oder Magie. Der IDW S 8 (Fairness Opinions) greift Synergieeffekte entsprechend auf.
In den IDW S 1 wird das Thema seit 2000, mit leichten Modifikationen im Zeitverlauf, adressiert. Sog. unechte Synergieeffekte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich ohne Durchführung der dem Bewertungsanlass zugrunde liegenden Maßnahme realisieren lassen. Im Rahmen der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts sind die Überschüsse aus unechten Synergieeffekten zu berücksichtigen; jedoch nur insoweit, als die Synergie stiftenden Maßnahmen bereits eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert sind (IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 44).
Praxisbeispiele aus aktienrechtlichen Verfahren bei verschiedenen Landgerichten zeigen das gesamte Spannungsfeld auf:
- Sind nur OPEX- und CAPEX-Synergien relevant? Der IDW S 1 deckt grds. alle Synergien – also auch Finanzierungs- und Steuersynergien, vor allem aber auch Umsatzsynergien ab.
- Kann ernsthaft davon ausgegangen werden, dass Synergien zum Bewertungsstichtag noch nicht hinreichend konkretisiert sind, wenn wenige Wochen später auf einer Pressekonferenz detailliert über Synergien aus dem Zusammenschluss berichtet wird?
- Kann weiterhin ernsthaft davon ausgegangen werden, dass Synergien im faktischen Konzern nicht umgesetzt werden? Synergien nicht zu berücksichtigen, weil sie im Vertragskonzern besser oder einfacher umgesetzt werden können, ist mit dem Gebot der vollen Abfindung jedenfalls nur schwer vereinbar.
Der IDW S 1 steht vor seiner Überarbeitung. Zu wünschen bleibt, dass das Thema Synergien vor allem unter ökonomischen/betriebswirtschaftlichen Aspekten diskutiert wird – so wie es Busse von Colbe vor 25 Jahren getan hat – und in diesem Zusammenhang auch die deutsche Besonderheit, echte und unechte Synergieeffekte zu differenzieren, überdacht wird.
[1] Vgl. Busse von Colbe, ZGR 1994 S. 595 ff.; Mertens, AG 1992 S. 321 ff.
[2] Vgl. nur Winner, in: Fleischer/Hüttemann (Hrsg.), Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2019.