EACVA transparent

am 19. und 20. Oktober 2017 in München

EACVA2017Mehr als 300 BewertungsProfessionals aller Berufsgruppen besuchten die 11. Jahreskonferenz der EACVA im Hilton Munich Park Hotel in München. Vier Keynote Vorträge und 24 Sessions rund um das Thema Unternehmensbewertung hatten die Teilnehmer zur Auswahl.

Die Teilnehmer nutzten die Konferenz als Plattform für den Austausch und intensive Diskussionen über aktuelle Entwicklungen in der Unternehmensbewertung innerhalb des Bewerter-Netzwerkes.

Die Eröffnungs-Keynote von Richard M. Wise aus Kanada zum Thema „Around the Valuation World in 60 Minutes“ beschäftigte sich intensiv mit der Wertart „Fair Market Value“. Er grenzte den Begriff des Fair Market Value gegenüber dem Begriff Fair Value ab und zeigte Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Fair Market Value in den USA, Kanada und Europa.
Insb. die US-Rspr. zum Fair Value bei gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen zeigt wesentliche Parallelen zum objektivierten Unternehmenswert nach IDW S 1 auf.

Nach fünf Jahren kam Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn erneut zur Jahreskonferenz der EACVA. Sein Keynote-Vortrag war ein absolutes Highlight der 11. Bewerterkonferenz. Der ehemalige Präsident des ifo Instituts meldet sich nach wie vor lautstark und gewichtig zu Wort. Er versteht es wie kein anderer komplexe Sachverhalte einfach auszudrücken und
begeisterte mit seinem Vortrag zu gesamtwirtschaftlichen und geldpolitischen Themen: „Trump, Brexit und Eurokrise“ die Teilnehmer.

Der zweite Konferenztag startete mit einer Keynote von Tobias Mock, S&P Global Ratings, mit dem Thema „Auf was Bewerter beim Rating achten müssen“. Er gab wertvolle Einblicke in die Standard & Poors Ratingmethode für Unternehmen und zeigte die Gemeinsamkeiten zwischen der Tätigkeit eines Rating- Analysten und eines Bewertungsprofessionals auf.

Die Closing Keynote hielt Prof. Dr. Kjell G. Nyborg, von der Universität Zürich, zum Thema „The Choice of Valuation Techniques in Practice: Education versus Profession“. Er
beschäftigte sich in einer empirischen Untersuchung damit, welchen Einfluss die Ausbildung und Qualifikation im Vergleich zur Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe auf die Auswahl der Bewertungsmethode und Qualität der Bewertung hat. Die umfangreichen Ergebnisse präsentierte er den Teilnehmern der Konferenz.

Im Folgenden werden Zusammenfassungen einiger Vorträge der 11. Bewerterkonferenz dargestellt:

Bewertung immaterieller Vermögenswerte im internationalen Kontext – Einige Praxisaspekte (Wolfgang Alberts / Erwin Andreas Janssen)

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien wurden durch die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen insb. mit Bezug zu immateriellen Vermögenswerten zuletzt umfangreich, u.a. aufgrund fortschreitender Digitalisierungsprozesse in Industrie und Handel, überarbeitet.

Daneben hat auch die EU-Kommission eine internationale Studie über betriebswirtschaftliche Bewertungsmethoden und deren Verwendung zur Verrechnungspreisbestimmung bei der Bewertung immaterieller Vermögenswerte Bewertung am 15.12.2016 veröffentlicht. Das Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforum (JTPF) hat dazu am 16.10.2017 konkrete Empfehlungen abgegeben und rät u.a. aufgrund der häufigen Einzigartigkeit immaterieller Vermögenswerte zu einer zweiseitige Bewertung aus Sicht eines fiktiven Veräußerers und Erwerbers unter Beachtung tatsächlich gegebener Funktions- und Risikoprofile.
Neben Komplexität sowie häufig hohem Abstraktionsgrad der Regelungen, erhöhen stark disruptive Effekte „digitaler Change Prozesse“ – meist verbunden mit nicht unerheblichen Werteffekten – im Einzelfall signifikant die Anforderungen an erforderliche steuerliche Analysen sowie an die Dokumentation beurteilungsrelevanter Sachverhaltsaspekte hinsichtlich der zunehmend für globale Gewinnallokationen relevanten Wertschöpfungsketten.

Signifikante Anstiege „sensorbasierter“ Daten in nahezu allen Unternehmensbereichen sowie eine Vielzahl horizontaler und vertikaler Integrationsprozesse erhöhen in der Anwenderpraxis nahezu aller multinational tätigen Unternehmen zusätzlich die Herausforderungen hinsichtlich genereller Datenkonsistenz sowie von in Wertermittlungen eingeführten Prämissen und Annahmen.

Ausgewählte Sonderwerte bei der Unternehmensbewertung (Ingo Bertram, CVA)

Sonderwerte berücksichtigen den Wertbeitrag bestimmter Vermögenswerte, die nicht in der Ertragsbewertung berücksichtigt sind oder transparenter außerhalb dieser abgebildet werden können. Die Sonderwerte betreffen daher häufig nicht betriebsnotwendiges Vermögen, steuerliche Sachverhalte, nicht in der Unternehmensplanung berücksichtigte Vermögenswerte oder Sonderthemen. Ein häufig vernachlässigter Wertbeitrag ist ein potenzieller Wert des steuerlichen Einlagekontos über das jede deutsche KapGes. verfügt. Der Wertbeitrag kann entstehen, wenn Ausschüttungen über den ausschüttbaren Gewinn hinausgehen. Bei der Bewertung dessen ist aber zu beachten, dass beim Anteilseigner der Steuerersparnis bei Ausschüttung eine Steuerbelastung bei späterer Veräußerung gegenübersteht. Auch Verwässerungseffekte aufgrund von Aktienoptionsplänen oder Wandelanleihen sind ein häufig übersehener (negativer) Wertbeitrag. Wenn Sachverhalte als Sonderwert berücksichtigt werden, ist zu beachten, dass sie aus der Ertragsbewertung und somit aus der Unternehmensplanung für diese bereinigt werden, um eine Doppelberücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt für Erträge und Aufwendungen gleichermaßen sowie auch für die Finanzierung. Sollten mit den im Rahmen eines Sonderwerts separat bewerteten Cashflows keine Finanzierung verbunden sein, so sind die unverschuldeten Eigenkapitalkosten der zutreffende Diskontierungszins.

The more the beta?! – Auf der Suche nach dem „richtigen“ Betafaktor (Dr. Alexander Brunner, WP, StB)

Der Betafaktor hat regelmäßig wesentliche Auswirkungen auf den ermittelten Unternehmenswert. Im Rahmen der empirischen Ermittlung und der Beurteilung der Verwendbarkeit des Betafaktors herrscht in der Praxis z.T. Uneinigkeit. Regelmäßig werden neue Konzepte und Methoden diskutiert und alte Ansätze verworfen. Trotz der anhaltenden Diskussion können im Ergebnis einige Dos und Don’ts identifiziert werden.

Don’ts:

  • Beurteilung der Verwendbarkeit von Betafaktoren auf Basis von R², t-Test und Tests auf Heteroskedastizität.
  • Bildung von Durchschnitten von empirisch erhobenen Betafaktoren, die nicht statistisch unabhängig sind; insb. keine Durchschnittsbildung von „Wochentagsbetafaktoren“.
  • Interpretation von Unterschieden in Wochentagsbetafaktoren als systematischer Einfluss des verwendeten Wochentags auf die Höhe des Betafaktors.
  • Einfache „univariate“ Ausreißer-Analysen durch getrennte Betrachtung von Markt- und Kursrenditen.
  • Identifikation von Strukturbrüchen durch rein qualitative Analysen von Kursverläufen.

Do’s:

  • Verstärkte Anwendung von quantitativen Methoden wie DFBeta und LQR-Statistiken zur Identifikation von Ausreißern und Strukturbrüchen.
  • Ergänzende Berücksichtigung (ausreißer-)robuster Methoden (bspw. LAD-Schätzer) neben dem OLS-Schätzer bei der Ermittlung des Betafaktors.
  • Bildung von ökonomischen Ex-Ante-Erwartungen zur Höhe des Betafaktors und Plausibilisierung empirisch ermittelter Betafaktoren.

Grds. stellt sich künftig weiterhin die Frage, inwiefern das CAPM (allein) als Basis zur Ermittlung des Risikozuschlags angewendet werden sollte. Aber auch bei Mehrfaktormodellen als alternative Ansätze müssen viele der o.g.n methodischen Überlegungen beachtet werden. Bei gänzlich anderen Ansätzen in Form von Simulationen erfordert die Kalibrierung der Modelle i.d.R. Parameter, die zunächst sachgerecht empirisch ermittelt werden müssen; somit sind in diesen Fällen entsprechende Grundsätze ebenso zu beachten.

Typische Bewertungsfehler und die Qualitätssicherung von Unternehmensbewertungsgutachten (nach IDW S 1) (Prof. Dr. Werner Gleißner)

Im Vortrag von Werner Gleißner wurden strukturiert typische Fehler bei der Unternehmensbewertung vorgestellt und Ansatzpunkte für ein „Qualitätssicherungssystem für Bewertungsgutachten“ (z.B. mittels Checklisten) erläutert. Ausgehend von einer Literaturübersicht zum Thema wurden dabei einzelne typische Fehler diskutiert, wie z.B. Inkonsistenzen der Annahmen, Verwechslung von Fremdkapitalzinssätzen mit Fremdkapitalkosten, Vernachlässigung des Insolvenzrisikos und fehlende Beachtung an sich bekannter Chancen und Gefahren (Risiken) bei der Bestimmung der Erwartungswerte von Erträgen und Cashflows.

Abfindungsbemessung zum Börsenkurs (Dr. Frederik Ruthardt, CVA)

Im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen sind verfassungsrechtlich sowohl kurzfristig als auch langfristig orientierte Minderheitsaktionäre voll zu kompensieren. Für den Börsenkurs als Desinvestitionswert eines kurzfristig orientierten Aktionärs ist der Betrag zu ermitteln, den ein Aktionär bei einer freien Veräußerung der Aktie am Bewertungsstichtag hätte erzielen können, sofern die Strukturmaßnahme nicht angekündigt bzw. durchgeführt worden wäre. Vor diesem Hintergrund behandelte der Vortrag die folgenden methodischen Fragestellungen bei der Ermittlung des Börsenkurses als Desinvestitionswert.

  1. Als Endzeitpunkt des Referenzzeitraums für die Ermittlung des Dreimonatsdurchschnittskurses ist ökonomisch auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens abzustellen. Maßgeblich ist mithin die logische Sekunde bevor der Kapitalmarkt die Information verarbeitet bzw. in den Börsenkurs eingepreist hat.
  2. Der Börsenkurs ist als Untergrenze irrelevant, wenn einzelne Aktionäre nicht in der Lage waren, zu diesem Preis zu veräußern. Faktisch relevant sind die Markttiefe bzw. Preiskontinuität im Handel der Aktie. Dabei sieht die Rspr. eine mögliche Indizwirkung der Kriterien des §5 Abs. 4 WpÜG-AV.
  3. Der Börsenkurs ist auf den Tag der Hauptversammlung hochzurechnen, sofern zwischen dem Tag der Bekanntgabe und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht. Beispielrechnungen zeigen vielfältige wertrelevante Ermessensspielräume in Bezug auf die Hochrechnungsmethodik. Eine proportionale Hochrechnung anhand der Kursentwicklung eines (Branchen-) Index oder der Kursentwicklung der Peer Group ist ökonomisch und empirisch nicht plausibel begründbar. Durch eine Hochrechnung anhand des originären Betafaktors in Kombination mit einer plausibilisierenden visuellen Analyse der historischen Kursentwicklung kann eine realitätsnähere Einschätzung des Desinvestitionswertes erfolgen.

Cashflow-Planung bei unstetiger Rechnungslegung (Prof. Dr. Harald Kessler, CVA)

Der neue Erlösrealisationsstandard IFRS 15 kann im Vergleich zu den geltenden Vorschriften zu einer früheren wie auch zu einer späteren Erfassung von Erlösen aus Kundenverträgen führen. Da IFRS 15 rückwirkend anzuwenden ist, führen diese Verwerfungen im Übergang auf die neuen Vorschriften zu einem höheren oder niedrigeren Ansatz von Forderungen und Verbindlichkeiten aus den betroffenen Kundenverträgen. Die Anpassung erfolgt entweder in der Eröffnungsbilanz der ersten dargestellten Vergleichsperiode (bei kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr i.d.R. zum 01.01.2017) oder – bei zulässigem Verzicht auf die Anpassung der Vergleichsperiode – in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs, in dem IFRS 15 erstmals angewendet wird (bei kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr i.d.R. zum 01.01.2018).

Die auf den Wechsel der Rechnungslegungsmethode zurückgehenden Änderungen des Nettoumlaufvermögens sind bei der Ableitung der Cashflows aus dem Periodenergebnis zu neutralisieren, da sie nicht mit Vorgängen der laufenden, sondern zurückliegender Geschäftsjahre zusammenhängen. In welchem Umfang sich derartige Anpassungen beim Nettoumlaufvermögen ergeben haben, ist den obligatorischen Anhangangaben zum Methodenwechsel zu entnehmen.

In gleicher Weise störend kann sich der Übergang auf den neuen Erlösrealisationsstandard auf die Plausibilisierung der Planung auswirken, wenn der Bruch in der Rechnungslegung in die historische Zeitreihe fällt. Durch Auswertung der Anhangangaben zur erstmaligen Anwendung von IFRS 15 lässt sich auch insoweit abschätzen, in welchem Umfang die neuen Vorschriften die Höhe des Nettoumlaufvermögens oder andere Finanzgrößen (z.B. Umsatzerlöse) beeinflusst haben.

Fallstricke in der Unternehmensbewertung (Prof. Dr. Leonhard Knoll)

Im Zentrum des Beitrags standen systematische Fehler oder Fehlprogrammierungen, die sich in der rechtsgeprägten Unternehmensbewertung immer wieder zeigen. Anhand von realen Fällen, die Herr Prof. Dr. Leonhard Knoll einer jüngst erschienenen und unter https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/frontdoor/index/index/docId/14758 kostenlos herunterladbaren Sammlung entnommen hatte, wurden solche Defizite im Frage-Antwort-Verfahren diskutiert. Stets lag die besondere Betonung darauf, dass es nicht um sporadische Versehen (Tipp-, Schreib- oder Rechenfehler) und erst recht nicht um Personenschelte ging, sondern um die Aufdeckung sachlogischer Widersprüche.

Digitalisierung und Industrie 4.0 – Herausforderungen für die Bewertung (Christian Plath, CVA)

Bewertung im digitalen Zeitalter bedeutet nicht primär, dass nun Tools die Bewertung übernehmen. Durch Digitalisierung werden die Wertschöpfungsketten von Unternehmen massiv verändert. Damit einhergehend verändert sich das Risikoprofil der Unternehmen Digitale Innovationen bringen neue Intangible Assets, Geschäftsmodelle, Umsatzquellen und Potenziale für Kostensenkung hervor. Somit ist es erforderlich, dass wir bei der Bewertung tiefer in die Wertschöpfungskette eintauchen, um die für die Bewertung relevanten Wert-/Kosten-Risikotreiber und deren Impacts auf den Unternehmenswert zu erfassen. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität des Zusammenspiels dieser Treiber benötigen wir Simulationsmodelle. Bewertung ist nicht nur für den Fair Value, PPA oder SPA bei Transaktionen relevant, sondern findet in vielen Arbeitspaketen des Transaktionsprozesses statt. Erfahrung aus vielen Buy-Side M&A Transaktionen zeigt, dass Value Tracking und Monitoring von Value Creation vor allem Post-Closing im Fokus sind. Hier suchen Mandanten Reporting Dashboards, die Value Impacts aus Post-Deal Optimierungsmaßnahmen wie Syngergieimplementierung für relevante Financial KPIs darstellen und weniger vollumfängliche Unternehmensbewertungen. Durch Digitalisierung wird die Unternehmensbewertung also vielschichtiger und sowohl fachlich breiter als auch tiefer. Es ist erforderlich, unsere Bewertungsverfahren und Methodiken zu überprüfen, ob diese für die daraus neuen digitalen Anforderungen ausreichen oder ggfs. erweitert werden müssten.

ESOP & Co.: Aktienkursbasierte Entlohnung und Unternehmenswert (Prof. Dr. Andreas Schüler)

Die Abbildung der diversen Formen der aktienbasierten erfolgsabhängigen Vergütung von Managern, wie z.B. durch Optionen oder Performance-Aktien, wird in der Unternehmensbewertungsliteratur im Vergleich zu anderen Aspekten, wie die Bewertung der Optionen selbst, stiefmütterlich behandelt. Der Vortrag zeigt auf, wie diese Optionen in die Unternehmensbewertung integriert werden können. Man kann dabei einem Brutto- oder einem Nettoansatz folgen. Die schrittweise Bewertung (Bruttoansatz) ermöglicht ein geradliniges Vorgehen. Abzubilden ist die Verteilung der Cashflows und des Risikos auf Manager und Eigentümer. Die Kapitalkosten sind an die aus der erfolgsabhängigen Entlohnung resultierenden Zahlungs- und Risikoeffekte anzupassen. Es besteht ein formaler Zusammenhang zwischen den Betawerten (Kapitalkosten) der ausgereichten Optionen und der Aktien des Unternehmens. Zudem wird gezeigt, dass die Treasury Stock-Methode nicht weiterhilft. Das entwickelte Gerüst lässt sich Grds. auf andere Formen der aktienbasierten Entlohnung übertragen.

Fremdkapital und Fremdkapitalkosten – methodische Anforderungen und empirische Herausforderungen (Dr. Jörn Schulte, WP, StB, CVA)

Auch wenn die Bewertung von Schulden und die Bestimmung der Fremdkapitalkosten wesentliche Bausteine einer Unternehmensbewertung sind, standen in der Vergangenheit vielfach andere Bewertungsthemen im Fokus. Das IDW hat die vorgenannten Aspekte zwischenzeitlich in zwei Arbeitsgruppen (Bewertung von Schulden, Bewertung hochverschuldeter Unternehmen) aufgegriffen. In der Praxis werden die Aspekte – bei zunehmender Verschuldung und drohendem Zinsanstieg – weiter an Bedeutung zunehmen.
Bei der Bewertung von Schulden kann die Unsicherheit im Rahmen kapitalwertorientierter Verfahren über drei Methoden verarbeitet werden:

  • Risikozuschlagsmethode → „suche Risikozuschlag“!
  • Risikoneutrale Bewertung → „suche risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten“!
  • Bewertung mit dem vereinbarten Zinssatz!

Optionalitäten sind zweckgerecht in diese Überlegungen einzubinden. Am Kapitalmarkt beobachtbar ist dabei nur die Ausprägung „kein Ausfall“.

Bei der Bewertung von Unternehmen sind auch Ausfallrisiken zu berücksichtigen. Diese werden ganz maßgeblich von der operativen Ertragskraft (Breite und Volatilität der operativen Cashflows) und der Verschuldung bestimmt. Die Ausfallrisiken sind unter Beachtung von Konsistenzaspekten in der Bewertung zu berücksichtigen – folgende Aspekte sind dabei zu beachten:

  • Ausfallrisiken können Fremd- und Eigenkapitalgeber treffen.
  • Sind Ausfallrisiken bereits in den Planwerten berücksichtigt?
  • Bei ausfallgefährdetem Fremdkapital übersteigen die vertraglich vereinbarte und die am Markt beobachtbare Rendite die von den Fremdkapitalgebern erwarteten Renditen.
  • Können Ausfallrisiken überhaupt so unwesentlich sein, dass Sie im Bewertungskalkül vernachlässigt werden können?
  • Helfen Simulationen oder aber zumindest Binomial- oder Trinomialbäume?
  • Welche Short Cuts (z.B. Berücksichtigung von Ausfallrisiken im Terminal Value über negative Wachstumsraten) können in der Bewertungspraxis helfen?
  • Ratinginformationen sollten jedenfalls bei der Erfassung von Ausfallrisiken genutzt werden. 
  • Sind Brutto- oder aber Nettoverfahren besser zur Erfassung der Ausfallrisiken geeignet?
  • Empirische Daten sind jedenfalls vor Übernahme in das Bewertungskalkül sorgfältig daraufhin zu untersuchen, ob Sie zu Planwerten und anderen Bewertungsdaten passen („Konsistenz“).

Sonderfragen bei aktienrechtlichen Bewertungen (Alexander Sobanski, WP, StB)

Das Urteil des BGH im Fall Nestle hat zwar die Frage geklärt, dass der Ertragswert beim Squeeze Out eines beherrschten Unternehmens als Untergrenze für die Bemessung der Barabfindung anzusetzen ist, allerdings wurde vom BGH explizit keine Aussage über die Bedeutung der kapitalisierten Ausgleichszahlung als Untergrenze getroffen. Falls man die kapitalisierte Ausgleichszahlung als Untergrenze einbeziehen möchte, können sich zahlreiche Probleme bei der Ermittlung ergeben, die zu erheblichen Verzerrungen im Wert führen können.

Bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ergeben sich Bewertungsprobleme vor allem aus den unterschiedlichen Rechtsordnungen und der daraus resultierenden Wertunterschiede. Diese sind bei Verschmelzungen insb. bzgl. der resultierenden Wertverhältnisse, nicht so sehr bzgl. der Unterschiede in den absoluten Unternehmenswerten relevant. Interessant wird, ob aus den aktuellen Bestrebungen des europäischen Parlaments vielleicht ein europäischer Standard für Unternehmensbewertungen resultiert.

Bei der Beurteilung der Eignung von Betafaktoren mit Hilfe von Geld-Brief-Spannen gibt es erste Urteile zur Obergrenze. Diese liegt nach den aktuellen Urteilen in einer Größenordnung von 1-2%.

Kalkulatorische EK-Zinssätze im Spannungsfeld zur Unternehmensbewertung (Thomas Straßer, WP, StB, CVA)

Im Zuge der Rekommunalisierung und durch das Auslaufen einer Vielzahl von Strom- und Gaskonzessionsverträgen seit 2010, hat die Netzbewertung in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Rahmen der Vorgaben zur Ermittlung der „Netzwerte“ existieren jedoch keine gesetzlichen Vorschriften über § 46 EnWG zur Ertragswertermittlung hinaus. Dabei gilt es in der Netzbewertung zu berücksichtigen, dass „Eigenkapitalzinssätze“ in der Ertragswertermittlung von Netzen nicht nur einen Einfluss auf den Nenner (Diskontierungszinssatz), sondern auch auf den Zähler (kalkulatorische Eigenkapitalzinssätze) haben. Letztere werden vor jeder Regulierungsperiode von der staatlichen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, festgelegt und bestimmen maßgeblich die Erlösobergrenzen der Netzgesellschaften und damit wesentlich ihre Gewinne und „Netzwerte“.

Dabei wird den kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätzen, als Summe aus regulatorischem Basiszinssatz und Wagniszuschlag, bei der Ermittlung des Wagniszuschlages ebenfalls das CAPM zugrunde gelegt. Doch während die durch die Finanz- und Schuldenkrise seit 2008 beobachtbare Reduzierung des risikolosen Zinsniveaus in der Bewertungspraxis zu einer Erhöhung der Marktrisikoprämie (aktuelle Bandbreite der Marktrisikoprämie des FAUB: 5,5% bis 7,0%) und damit des Wagniszuschlages geführt hat, beharrt die Bundesnetzagentur in Bezug auf die kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze nach wie vor auf einer im Zeitablauf konstanten Marktrisikoprämie (Marktrisikoprämie gem. aktuellem Beschluss zur 3. Regulierungsperiode: 3,80%).
Mit Spannung wird daher erwartet, ob die laufende Beschwerde eines Großteils der deutschen Netzbetreiber gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur für die dritte Regulierungsperiode Erfolg haben wird und ob sich daraus ggf. auch Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung ergeben.

Wert und Preis und „?“ (Dr. Andreas Tschöpel, CVA, CIIA, CEFA)

Vortrag und Diskussionsrunde mit Prof. Dr. Leonhard Knoll, Dr. Frederik Ruthardt, CVA und Christoph Wollny, WP, StB.

Die Frage nach dem Unterschied zwischen Wert und Preis ist so alt wie die Unternehmensbewertung selbst. Dass es in der Realität einen Unterschied zwischen Wert und Preis gibt bzw. geben muss, ist zwischenzeitlich allgemein anerkannt. Und dennoch ist diese Frage – wenn so verkürzt – insb. für die Unternehmensbewertungspraxis unvollständig gestellt. Denn was der Bewerter tatsächlich ableiten soll, bestimmt sich in erster Linie aus dem Bewertungszweck. Erst dieser gibt vor, ob ein „subjektiver Entscheidungswert“ im Rahmen einer entscheidungsorientierten Situation (z.B. Kauf/Verkauf) oder ein „idealisierter gleichgewichtiger Preis“ im Rahmen einer complianceorientierten Situation (z.B. für steuerliche oder aktienrechtliche Bewertungsanlässe) gesucht ist. Da für den Bewerter der „Vergleich“ essenziell ist, existiert mit den real „beobachtbaren Preisen“ jedoch noch eine dritte Kategorie im Rahmen der Wert/Preis-Frage. Alle drei Kategorien können in einem theoretischen Idealzustand identisch sein, werden in der Realität aber regelmäßig voreinander abweichen. Dies ist im Rahmen der Unternehmensbewertung unbedingt zu berücksichtigen, da zwar aus dem Bewertungszweck Grds. das zu Grunde zu legende (theoretische) Bewertungsmodell resultiert, dieses jedoch mit empirischen Daten (z.B. beobachtbaren Preisen) befüllt werden muss, um das gesuchte Ergebnis abzuleiten. Vor diesem Hintergrund drohen Bewertungsfehler immer dort, wo das Bewertungsmodell nicht dem Bewertungszweck folgt, der Bewertungszweck nicht mit den verwendeten empirischen Daten harmoniert oder die empirischen Daten nicht zum Bewertungsmodell passen.

Bewertungsstichtag, Auftragsbestände und Kapitaleinlagen: Do's und Dont's bei der Unternehmensbewertung (Christoph Wollny, WP, StB)

Je nach Branche verfügen Unternehmen über mehr oder weniger große Auftragsbestände. Im günstigsten Fall deckt der Auftragsbestand bei Bauunternehmen und Anlagenbauern den Plan-Umsatz der nächsten 1 bis 2 Jahre ab. Im üblichen Fall beträgt die Auftragsreichweite wenige Tage oder Monate. Handelsunternehmen verfügen über keinen Auftragsbestand. Im Rahmen der Unternehmensbewertung verschafft der Auftragsbestand somit nur für einen Bruchteil des Planungszeitraums Planungssicherheit. Der wesentliche Teil des Unternehmenswertes ist nicht durch Aufträge gedeckt. Im Rahmen der Unternehmensanalyse ist somit vor allem dem Geschäftsmodell Aufmerksamkeit zu schenken, um Planungssicherheit zu erzielen. Der Auftragsbestand ist dagegen vergangenheitsbezogen und hat wie die Vergangenheitsanalyse nur eingeschränkten Einfluss auf eine zutreffende Bewertung.

Die Investitionstheorie trennt gedanklich den Wert eines Investments und den Preis für dieses Investment. Zum Ausdruck kommt dies durch die Begriffe Bruttokapitalwert und Anschaffungskosten. Einlagen sind wie der Kaufpreis für Unternehmensanteile Anschaffungskosten, um eine Einkommensquelle zu erwerben. Die Formulierung in IDW S 1 Tz.4, nachdem Einlagen als negative Ausschüttungen bei der Berechnung des Unternehmenswertes zum Abzug zu bringen sind, durchbricht diese Systematik und mischt den Wert des Investments mit dessen Preis. Ergebnis dieser Berechnung ist damit nicht ein Unternehmenswert i.S. des Bruttokapitalwertes, sondern das Vorteilhaftigkeitskriterium Nettokapitalwert. Die Empfehlung lautet daher, Einlagen nicht vom Unternehmenswert zu kürzen und IDW S 1 Tz.4 entsprechend zu korrigieren.
Der Bewertungsstichtag wird in IDW S 1 Tz.23 im Allgemeinen Teil „Grundsätze zur Ermittlung von Unternehmenswerten“ definiert und soll gleichermaßen für objektivierte und subjektive Unternehmenswerte Gültigkeit haben. Tatsächlich formuliert Tz.23 den Stichtag unter den Bedingungen der gesellschaftsrechtlichen Wurzeltheorie. Die Wurzeltheorie stellt nach der Rspr. des BGH bei der Berücksichtigungsfähigkeit von Ereignissen zum Bewertungsstichtag darauf ab, ob die Ereignisse am Bewertungsstichtag erstens erkennbar und zweitens kausal verursacht waren. Die Kausalität ist eine Bedingung, die für subjektive Unternehmenswerte nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich u.a. aus den Regelungen des IDW S 1 zur Berücksichtigungsfähigkeit von Investitionen bzw. Desinvestitionen Tz.49 und Synergieeffekten und Tz.50. Die Empfehlung lautet daher, die Definition des Bewertungsstichtages zu korrigieren und an die jeweiligen Bedürfnisse objektivierter und subjektiver Unternehmensbewertung anzupassen.

» Impressionen der 11. Bewerterkonferenz 2017

Video der 11. Jahreskonferenz 2017

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